Essay: Tag der Abrechnung

Ich kann’s nicht mehr hören – oder eher lesen. Die Mountainbiker sind die Darth Vaders, die Voldemoorts und die Saurons der Radfahrer. Wir machen die Natur kaputt und erschrecken die armen Wanderer so sehr, dass diese Angst vor den Bergen bekommen. Die Mountainbiker sind die einzigen Radfahrer, für die’s eigene Verhaltensregeln gibt: Die DIMB-TrailRules beinhalten so ungefähr das, was der gesunde Menschenverstand einem eigentlich auch sagen sollte. An sich schon traurig, dass die Kommunikation solcher Regeln notwenig wird. Dabei versaut nur ein kleiner Teil der vielen vielen vielen – um nicht zu sagen Millionen – Mountainbiker den Ruf.

Um’s mal mit den Worten von Atze Schröder zu kommentieren: „Ja nee, is‘ klar“. Bei den Moutainbikern soll also eine kleine Gruppe von verhaltensauffälligen Bikern für eine ganze Gruppe stehen? OK, das kann ich auch. Jetzt wird abgerechnet…

Die Fußgänger:

Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Gilt auch für Piktogramme. Und wenn ich ein Bild mit einem durchgestrichenem Wanderer sehe, so ist für mich klar, dass ich auf diesen kleinen schmalen Pfaden nix zu suchen habe. Aber dann wird doch wieder munter über den Trail gelatscht. „Schilder? Nö, hab ich nicht gesehen“, so die Standardantwort. Vor allem geil, wenn die Sonntagsnachmittagswandertourismusgruppe aus Ostwestfalen einem noch am Eingang zum Trail munter „Tach auch“ sagt. Stell sich das einmal einer vor: Da kommste den Hill downgeballert und plötzlich hüpfen sie dir im Gänsemarsch vor dem Vorderreifen rum. Ein hoch auf dem, der gut Bremsen kann.

Aber auch auf den gemeinsamen Wegen – immer wieder ein Hit auf Fußgänger zu treffen. Da macht man sich schon freundlich von hinten mit rufen, klingeln und Schiffshörner bemerkbar, und die Damen und Herren gehen genau ganze drei Zentimeter zur Seite – natürlich um dabei weiterhin die ganzen vier Meter des Weges für sich zu beanspruchen. Für den Mountainbiker heißt’s dann entweder knapp vorbei, beamen oder den Turbo Boost einschalten und drüber fliegen. Doch leider baut Pontiac keine Mountainbikes.

Hunde, Frauchen und Herrchen:

Ja, ich mag Hunde. Finde ich voll toll – hab nämlich auch so eine Fellnase zu Hause. Wobei die Hündchen ja nix dafür können. Da sind’s eher Frauchen und Herrchen, die mir immer wieder mal gerne den Spaß rauben. Standard: Die 25-Meter-Schleppleine. Wenn zwischen Hund und Halter ein Abstand wie zwischen Wanne-Eickel und Bottrop-Kirchhellen liegt, entwickelt so eine Leine schon mal ein Eigenleben. Dumm nur, wenn sich dann gerade Teile des Fahrrades in der Sache verheddern.

„Der tut nix, der will nur spielen.“ Ja – mit meinen Waden oder was? Mehr als einmal kam ich in den Genuss, fast angeknuspert zu werden. Da konnten die jeweiligen Halter ihre Tiere so gerade noch (fest)halten. Da stelle ich mir doch die Frage: Wenn ich doch weiß, dass mein Hund mal gerne auf Radfahrer losgeht (und erzählt mir nicht, dass hätte der noch nie gemacht), warum muss ich dann ausgerechnet da Gassi gehen, wo wir mit den Bikes unterwegs sind? Es will einfach nicht in meinen Schädel. Und nicht immer reicht das kleinste Ritzel…

Aber nicht nur große Hunde können doof sein. Die kleinen auch. Gut, die haben oftmals kleine Beinchen und sind nicht so schnell. Dafür sieht man die auch mal sehr schlecht. Kaum ist die handflächengroße Miniaturausgabe eines Hundes aus seiner Handtasche raus, wird gnadenlos die Umgebung unsicher gemacht. Selbst Eichhörnchen sieht man besser…

E-Biker:

Du quälst Dich den Anstieg hoch, der Schweiß fliest in Strömen, der Daumen zuckt ab und an noch zum Schalthebel in der Hoffnung, doch noch einen kleineren Gang zu finden. Uphill fahren kann ja so toll sein. Besonders dann, wenn Dich dabei eine Gruppe von E-Biker fröhlich quatschend und gut gelaunt noch locker überholt: „Na Jung, is‘ warm?“ Blöde Frage…! Aus den angebrachten Radios trällert WDR 4 und die größte Sorge der elektrischen Reiter ist, ob denn auch das Bier in der Pause kalt genug ist. Das ist einfach nicht nett. Und sobald die Waldautobahn wieder ein normales Niveau erreicht hat, gehen die Elefantenrennen los. Da hilft dann nur noch zwei Gänge hoch schalten und durch. Dumm nur, wenn nach ein paar Kilometer dann wieder der nächste Berg wartet.

Wo ein Wille, da ein Gebüsch:

Trails sind manchmal von den normalen Wegen für Spaziergänger entfernt. Was ja auch Sinn macht. So haben alle ihre Ruhe – die Biker und… der Rest. Nun mag diese Ruhe auch mal verführerisch sein. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich muss bestimmt ziemlich blöd unter meinem Helm raus geschaut haben, als ich das Mädel da so auf dem Kerl hocken sah. Na ja gut, die hüpfen wir wenigstens nicht vor’s Rad.

Die Moral von der Geschicht:

Das sind sie so, mein typischen Erlebnisse im Ruhrgebiet. Aber ich möchte ehrlich sein: Nicht alle sind so, nicht einmal ansatzweise. Die Fußgänger machen genug Platz und bei Begegnungen auf den ausgewiesenen Trails kann man mit einem netten Wort auch gegenseitiges Verständnis bekommen. 99 von 100 Herrchen oder Frauchen halten ihre Hunde immer fest, nachdem sie mich bemerkten. Und E-Bikes haben so manchem wieder die Lust und die Möglichkeit am Radfahren zurück geschenkt. Die meisten Schäfchen sind weiß – nur ein paar sind schwarz. Deswegen muss aber nicht gleich immer die ganze Herde gleich böse sein.

Nur können wir hier im Ruhrpott froh sein, dass für uns Mountainbiker dieser Probleme noch sehr gering sind. Da sieht das in anderen Regionen schon wieder ganz anders aus – bis hin zu lebensgefährlichen Fallen auf den Trails.

So sollten wir bei unserer Ruhrpott-Mentalität bleiben und weiter mit einem freundlichen „Glück auf“ grüßen.